Schulentwicklung und die Veränderung von Unterricht sind schon immer meine Antriebsfeder für mein eigenes (Lehrer-)Handeln. Dies war auch ein Gedanke bei der Entscheidung für die Arbeit am Studienseminar: Veränderungsprozesse müssen bei den angehenden Lehrer*innen angestoßen werden. Junge motivierte Menschen mit frischen, innovativen Ideen, meistens mit dem Ziel es besser/anders zu machen als die Schule, die sie selbst erfahren haben. Ausgehend von dem Gedanken der Unterrichts- und Schulentwicklung könnte die Arbeit der Studienseminare wieder mehr Beachtung finden und die Seminare sich gleichzeitig selbst mutiger und innovativer als Leuchttürme der Bildung betrachten. Es geht nicht darum neue Lehrkräfte zu 'produzieren', um sie dem Schulsystem 'zuzuführen', sondern darum, einen Beitrag zur Verbesserung von Unterrichtsqualität und Schule zu leisten.
In den vergangenen 10 Jahren bin ich immer wieder vom System gebremst worden. Die schweren Ketten der festgefahrenen Strukturen und Denkmuster zu durchbrechen, können einem schon den Idealismus nehmen. Aber nicht von Dauer. Manche Verhältnisse müssen zwar (zunächst) akzeptiert werden, jedoch ergeben sich im eigenen Verhaltensmuster viele Spielräume. Das ist immer dort spürbar, wo Schulen sich positiv verändern und neue Wege gehen. "Machen ist wie wollen, nur krasser" lautet die Devise.
Neben der Schulentwicklung (Schule im Wandel) gilt 'meine Liebe' der Bildung unter den Bedingungen der Digitalität. Digitale Bildung als Recht auf Zugang und Teilhabe an einer sich transformierenden Gesellschaft ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit als Lehrer, Referent und eben auch als Seminarleiter in der zweiten Phase der Lehrerausbildung.
Digitale Bildung am Studienseminar (kurz DiBiS - im Wesentlichen geprägt durch Kai Wörner) ist fester Bestandteil meines (unseres?) Ausbildungsauftrags am Seminar. Sind es doch im Besonderen die angehenden Lehrer*innen , die die "Schule der Zukunft" mediendidaktisch (mit-)gestalten und die Implementierung aktueller und zukünftiger Informations- und Kommunikationstechnologien maßgeblich bestimmen. Die Vorbereitung und Durchführung zeitgemäßen Unterrichts in einer digitalen Landschaft unterscheiden sich von tradierten Unterrichtskonzeptionen und Vorstellungen von Wissensvermittlung. Angehende Lehrerinnen und Lehrer müssen angeleitet werden, diesen neuen Herausforderungen konstruktiv und kompetent begegnen zu können. Kompetenz meint in diesem Zusammenhang nicht nur den Einsatz von Apps in Tabletklassen, sondern ein neues (verändertes) Verständnis des Lernbegriffes und ein entsprechendes Medialitätsbewusstsein . "Die digitale Kompetenz ist eine Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts. Ihre Förderung und die Ausschöpfung des Potenzials digitaler Medien für das Lehren und Lernen, erfordern von den Lehrenden ein immer breiteres Spektrum an Kompetenzen." (https://ec.europa.eu/jrc/sites/jrcsh/files/digcompedu_leaflet_de-2018-09-21pdf.pdf)
Im europäischen Rahmen für die digitale Kompetenz Lehrender (kurz DigCompEdu) geht es dabei um...
- das berufliche Engagement ,
- die Auswahl, Erstellung und Veröffentlichung von digitalen Ressourcen,
- das Lehren und Lernen mit digitalen Medien,
- die Erhebung und Analyse lernrelevanter Daten sowie die Bereitstellung von Feedback,
- den Einsatz digitaler Medien zur Differenzierung und Individualisierung sowie dem aktiven Einbindung der Lernenden und
- die Förderung der digitalen Kompetenz der Lernenden selbst.
Schon an dieser Auflistung (Teilkompetenzen gehören auch noch dazu) wird deutlich, dass es in der Lehreraus- und Fortbildung nicht um einen beiläufigen Zusatzkurs mit Credit Points geht, sondern das Große und Ganze von Schule, Bildung und Unterricht in den Blick genommen werden muss. Medienbildung ist kein Beilagensalat oder eine Zusatzspalte im Entwurf. Medienbildung und damit Bildung im 21.Jahrhundert stellt die Frage nach dem WAS? , WARUM?, WIE?, WO? und WANN? des Lernens ganz neu.
cc by Jan Vedder www.vedducation.de
Wie tief 'unsere Liebe' für DiBiS (Wortspiel im Titel) als Ausbilder geht, so tiefgründig geht es um unser eigenes Rollenverständnis, unser eigenes berufliches Selbstkonzept als Fachleiter/Fachseminarleiter. Die Frage nach der Bedeutung (Wichtigkeit) von Medienbildung in der Ausbildung von Lehrer*innen hängt unmittelbar von unserem Lernverständnis und unserer Vorstellung von einer zukunftsfähigen Schule ab. Wie immer ist dies zuerst eine Frage von Haltung. Jedes Können beginnt im Wollen. Das hat sicher auch etwas mit Prioritäten zu tun. Doch letztlich können wir an keinem Glied der Bildungskette die Bedeutung von Medienkompetenz für jetzige und zukünftige Generationen in Frage stellen. Lesen, Rechnen, Schreiben UND Medienkompetenz sind Kulturtechniken des 21.Jahrhunderts. Durch die Möglichkeiten des Netzes sind wir alle zugleich Empfänger und Sender geworden. Vielleicht sind wir uns dessen nur noch nicht bewusst (genug).
cc by Jan Vedder www.vedducation.de
Da geht was - und da geht noch mehr
In den meisten Studienseminaren der verschiedenen Schulformen in den unterschiedlichen Bundesländern spielt aus meiner Sicht 'DiBiS' eine mehr oder weniger große Rolle. Im September fand in Kaiserslautern eine große Tagung des Bundesarbeitskreises der Seminar- und Fachleiter/innen (BAK-Lehrerbildung) mit dem Titel „Bildung 4.0 – Digitalisierung im Kontext der Lehrkräftebildung“ statt. Dabei stand an vier Tagen das Thema 'Lehren und Lernen mit digitalen Medien in der Lehrerausbildung' unter Berücksichtigung theoretischer, empirischer und praxisorientierter Perspektive im Mittelpunkt (53. SEMINARTAG DES BAK-LEHRERBILDUNG). Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit der Thematik eindrucksvoll. In meinem dreistündigen Workshop habe ich versucht, neben praktischen Anwendungen aus der Seminararbeit (Doppeldeckerprinzip) vor allem die oben genannte Haltungsebene anzusprechen, welches manchem Teilnehmer nicht leicht viel. Verständlicherweise. Geht es doch immer um ein Abgleich mit meinen eigenen Erfahrungen und Vorstellungen von vielen Jahren und Jahrzehnten.
Die Wortwolke diente dem Einstieg und zugleich der 'Entlarvung' des Begriffs 'Digitale Bildung'. Wenngleich uns die Vereinfachung vor allem sprachlich hilft (vgl. DiBiS), so greift sie doch inhaltlich zu kurz (Ausführlicher hier). Im weiteren dezentralen Verlauf habe ich den Teilnehmer*innen verschiedene digitale Texte angeboten, denen sie sich frei nach Interesse zuordnen konnten.
Dazu wählte ich vier der Kompetenzbereiche des DigCompEdu aus und benannte sie als relevante Entwicklungsfelder der Lehrerausbildung.
- Entwicklungsfeld 1: Berufliches Engagement - Vernetzung & reflektierte Praxis
- Entwicklungsfeld 2: Digitale Ressourcen - Erstellung, Auswahl und Bereitstellung
- Entwicklungsfeld 3: Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter
- Entwicklungsfeld 4: Lernerorientierung - Teilhabe und Aktivierung
Inhaltlich erhielten die Teilnehmer*innen dazu Aufgaben und Impulse zum Austausch. Hier ein Beispiel:
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Im Anschluss an die längere Arbeitsphase kam es zu einem spannenden Austausch und kontroversen Diskussionen, die auch aufzeigten, wie unterschiedlich weit Studienseminare sind bzw. an welchen unterschiedlichen Punkten im Transformationsprozess sie sich befinden. Hier traf Tradition auf Innovation oder Angst auf Fehlerkultur. Gute Modelle sind hier wichtig, damit der Prozess tatsächlich weitergeht und wir voneinander lernen können. Gute Beispiele wie der Anstoß zur Vernetzung durch dieses von Nina Bücker initiierte Padlet (#fl_seminarpadlet.com), garantiert die DiBiS-Materialien von Kai Wörner (Alle Handouts hier) oder das Working out loud durch den Blog von Monika Heusinger sind bisher noch selten und vielfach (außerhalb der Twitterblase) unbekannt.
Inwieweit diese Modelle in die Breite wirken können wird sich noch zeigen. Vieles wird von der Haltung der Protagonisten an den Studienseminaren, Universitäten und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung abhängen. How DiBiS your love?
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