In den ersten vier Teilen habe ich versucht, mögliche Wege aus der "Krise" der Schule aufzuzeigen, um den vier Entwicklungsfeldern gerecht zu werden und vor allem den Kernproblemen unserer Schule (Teil 1/5) zu begegnen. Diese Kernprobleme unseres Schulsystem habe ich dabei in fünf Thesen gebündelt:
- Die Werte unserer Schule sind die Werte des Industriezeitalters
- Fremdbestimmung ist das Paradigma unserer schulischen Lernorganisation
- Unsere Schule bietet wenige authentische Lernsituationen
- Unser Unterricht lässt kaum Platz für Leidenschaften und eigene Interessen der Lernenden
- Lehre im Gleichschritt widerspricht dem Gedanken von Individualisierung und Inklusion
Für die vier Entwicklungsfelder Unterricht (Teil 2/5), Lehrerolle (Teil 3/5), Schulleitung und Schulorganisation (Teil 4/5) habe ich zusammen mit Gastautoren aus der Praxis einen möglichen Fahrplan skizziert, der in diesem Schaubild schlagwortartig mündet:
In den Beitragsteilen habe ich erläutert, dass für manche Veränderungen komplexe Weichenstellungen und auch ein politischer Wille benötigt werden. Genauso bieten sich aber für jede einzelne Schule und jeden einzelnen von uns Chancen neue Wege zu gehen und gewohnte Komfortzonen zu verlassen. Die veränderten Lernsettings in Zeiten von Corona wirken dabei wie ein Brennglas für die o.g. Kernprobleme und unser bisheriges schulisches bzw. unterrichtliches Handeln. Über unsere Erfahrungen müssen wir sprechen. Der Aufruf "Machen ist wie wollen, nur krasser" wird in diesem Kontext oft verwechselt mit "einfach mal machen". Das Machen befreit uns aber nicht von der Pflicht unser Handeln gemeinsam reflektieren zu müssen und über die Gestaltung der Schule im Wandel ins Gespräch zu kommen. Gemeinsame Lösungswege können wir nur im Austausch und durch Reflexion gestalten. Ein kreativer Thinktank, der das Lernen, das Scheitern, gemeinsame Zukunftsvisionen und die tägliche Praxis gleichermaßen berücksichtigt.
Reden übers Lernen
Wir müssen in Schule Wege finden, das Lernen zu evaluieren. Wir brauchen ein Feedback durch unsere Klienten (Schüler*innen). Wir sollten dabei Unterricht stärker aus der Perspektive der Lernenden betrachten. Als ein Baustein können Schulleitungen z.B. Zeiten und Ressourcen für kollegiale Gruppenhospitationen schaffen. Die Lesson Study Methode kann ein Instrument sein, um explizit die Wirkung des Unterrichts auf das Lernen der Schüler*innen zu beleuchten. Der Fokus der Methode liegt bei den Lernenden und ihrem Lernprozess. Lesson Study ist eine Form kooperativer und evidenzbasierter Unterrichtsreflexion, die u.a. folgende Ziele verfolgt:
- Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität
- Besseres Verständnis des Lernens der Schüler*innen
- Förderung eines schüleraktiven Lernens
- Erprobung neuer Lösungsansätze
- Erweiterung des Handlungsrepertoires von Lehrenden
- Förderung der Kooperation von Lehrer*innen.
Unterricht unter diesen Perspektiven zu beobachten lässt die o.g. Kernprobleme schnell transparent werden.
Reden übers Scheitern
Der ehrliche und authentische Austausch über das Lernen und den eigenen Unterricht ist auch ein Austausch über das Scheitern. Scheitern ist ein wichtiger Teil des Lernprozesses. Das beobachten wir doch täglich bei unseren Lernenden. Genau so werden wir bei der Neugestaltung unseres schulischen Lernens an der der Oberschule Berenbostel Irrwege gehen und in Sackgassen laufen. Sicher werden wir Fehler machen, doch nur, wenn wir Fehlerkultur als Ausgangspunkt unseres eigenen lebenslangen Lernprozesses begreifen, verstehen wir, wozu die zukünftigen Generationen befähigt werden müssen. Vielleicht brauchen nicht nur Gründer von Start-Ups sog. Fuckup Nights, sondern auch Schulen?!? Scheitern als Teil von Entwicklung zu betrachten ist möglicherweise ein vielversprechender Weg für eine Schule im Wandel.
Reden über die Zukunft
Wir brauchen eine gemeinsame Zukunftsvision im eigenen Kollegium. Welches Wissen, welche Kompetenzen und welche Haltungen sind zentral, um junge Menschen zu Gestaltern ihrer eigenen Zukunft und zu Rettern ihres Planeten werden zu lassen? Wir brauchen ein Konzept, ein echtes (gelebtes!) Leitbild, einen konkreten Fahrplan für den Transformationsprozess von Schule. Dieser umfasst alle Dimensionen des Lernens (Das Was, Warum, Wie, Wann und Wo) gleichermaßen. Was kann weg? Was soll bleiben? Was aus den Fernlern-Erfahrungen in Zeiten von Corona können wir strategisch nutzen und wie kann die Digitalisierung sinnvoll mit einbezogen werden? Über diese Fragen müssen wir offen und ehrlich sprechen. Bob Blume hat dazu eine Sammlung gestartet:
In dem Thread sind Ideen und Impulse verschriftlicht, die vielleicht am Ende doch zu einer positiven Wendung der Krise führen können .
Reden übers Machen
Zusammen mit der Schulleitung muss es darum gehen, eigene Ressourcen im Kollegium sichtbar zu machen und vor allem zu nutzen. Ein regelmäßiges Angebot, sich über Erfahrungen rund um den Einsatz von digitalen Lernsettings in der Praxis auszutauschen und eine stetige Begleitung sind Garanten für eine nachhaltige Veränderungen von Unterricht. Regelmäßige Mikrofortbildungen (Mikrofobis) können so der Fixpunkt für eine gemeinsame Unterrichtsentwicklung und eine neue Schulkultur sein.
Die Idee hinter Mikrofortbildungen (Mikrofobi) beruht auf dem Prinzip „Each one teach one“ (deutsch: "jeder bringt jedem etwas bei"). In diesem Zusammenhang bedeutet dies, dass Lehrer*innen mit Erfahrungen im Umgang mit digitalen Medien ihr Wissen und ihre Erkenntnisse mit den Kolleginnen und Kollegen teilen und sich so gegenseitig (fort-)bilden. Dies geschieht ohne zeitlichen oder finanziellen Aufwand und vor allem direkt vor Ort an der Schule. Mit den Mikrofortbildungen werden Kolleginnen und Kollegen an meiner Schule zu Multiplikatoren und wir nehmen „Alle“ mit auf den Weg in die Schule von morgen. Die gewohnte Atmosphäre bietet einen geschützten Raum und erlaubt es, sich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. Nach dem Motto: "The Secret of getting ahead is getting started" (Mark Twain).
Fazit
Um den Change-Prozess in Schulen einzuleiten und die Transformation in der Gesellschaft auch im Bildungswesen sichtbar zu machen, bedarf es verschiedener persönlicher, ideologischer und politischer Hebel. Der erste und wichtigste Schritt ist anzufangen. Vor Ort in den Schulen. Erfahrungslernen und gemeinsame Reflexion der Praxis werden dabei wesentliche Faktoren für Veränderungen sein. Um den Wandel in den vier Entwicklungsfeldern konstant zu voranzutreiben, braucht es Ausdauer und einen langen Atem, aber Schule im Wandel ist kein fertiges Endprodukt, Schule im Wandel ist ein Prozess.
In fünf Beiträgen habe ich versucht mein subjektives Bild zum Schlagwort #schuleimwandel zu zeichnen. Dabei ist dieser Blog wie ein kleines öffentliches Tagebuch, ein TOL (Thinking Out Loud) meines eigenen Lernprozesses.
Andere Menschen verbinden selbstverständlich eigene/andere Gedanken mit einer Schule im Wandel. Darum habe ich die Menschen im Twitterlehrerzimmer gefragt was sie mit dem Schlagwort verbinden:
Herausgekommen ist eine facettenreiche Sammlung von Interpretationen. Eine Auswahl der Antworten möchte ich zum Abschluss mir dir teilen: