Ausgangspunkt für diesen Blogbeitrag sind ein Leserbrief, den ich vor etwa drei Monaten verfasst habe, und ein aktueller Austausch über die Belastungen von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Schulformen auf Twitter. Zu Beginn des Schuljahres verging in Niedersachsen kaum ein Tag an dem die aktuelle (hausgemachte) Bildungsmisere nicht die Titelseiten der Tageszeitungen dominierte. Auch in anderen Bundesländern versuchte man (und tut es immer noch!) der schlechten Unterrichtsversorgung durch den Einsatz von Quereinsteigern und Abordnungen Herr zu werden. Doch der "Skandal" waren m.E. nicht die Abordnungen von Gymnasiallehrkräften an die Grundschule. (...Für diese mediale Aufmerksamkeit sorgt nicht zuletzt wieder einmal die Lobbyarbeit des Philologenverbandes...)
Der eigentliche "Skandal" ist die Tatsache, dass sowohl Schulpolitik als auch gesellschaftliche Fehlvorstellungen dafür gesorgt haben, dass sich Studierende kaum noch für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen entscheiden. Gleichlanges Studium, schlechtere Bezahlung, geringere gesellschaftliche Anerkennung, höhere Stundenverpflichtung bei immer stärker werdenden Belastungen im Vergleich zu Lehrkräften an Gymnasien. Fehlende Lehrerstunden an der Primarstufe sind nur die logische Folge inkompetenter Schulpolitik. Zu Lasten der wichtigsten Schulform: der Grundschule.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Es geht mir nicht darum, einen Wettbewerb verschiedener Schulformen zu befeuern. Dafür sorgt die Besoldungsstruktur bereits selbst und stellt die Schulformen (zumindest auf der wirtschaftlichen Ebene) in gewisser Form schon vor der Aufnahme des Studiums in Konkurrenz zueinander. Die oben eingefügte Aussage zum Zusammenhalt kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. Mehr dazu weiter unten.
Gesellschaftliche Anerkennung
Es herrscht in vielen Teilen immer noch die Meinung vor, der Beruf der Grundschullehrerin/des Grundschullehrers sei etwas, was doch im Grunde jeder erledigen könne. "Für das bisschen Rechnen und Schreiben braucht man doch im Grunde nicht studieren". So kommt man dann (auch in der Politik) zu der Einsicht, dieser Job sei auch ohne pädagogisches und vor allem didaktisches Studium zu meistern.
Diese Vorstellung - auch die politische Sichtweise - verkennt auf fatale Weise sowohl die Bedeutung frühkindlicher Bildung auf Lebensperspektiven als auch die vielfältigen Anforderungen an diese Profession und die Arbeit an der Grundschule. Hier werden die Grundsteine für spätere Bildungsperspektiven gelegt. Hier sitzen Kinder jeglicher Bildungsschichten inklusiv in einem Klassenzimmer, hier geht es um besonderes pädagogisches und didaktisches Geschick der Lehrenden, hier werden alle inhaltlichen, methodischen und sozialen Kernkompetenzen aufgebaut. Die Grundschule ist die eigentliche Integrierte Gesamtschule. Gerade dieser Job verlangt doch nach den besten Lehrerinnen und Lehrern. Das haben andere Nationen schon längst erkannt. In Deutschland aber wird dieser anspruchsvolle Job vermehrt durch Quereinsteiger und kurzfristig abgeordnete Lehrkräfte anderer Schulformen erledigt.
ERNSTHAFT?
Das Schweigen-Dilemma
Um die Unterrichtsversorgung zu garantieren, kam in Niedersachsen unlängst der Vorschlag auf, Grundschullehrkräfte könnten doch kurzfritsig vier Stunden mehr unterrichten (also 32 statt 28 Stunden!). Diese Forderung muss sich für Kolleginnen und Kollegen dieser Schulform wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen. Der Aufschrei war m.E. gering bzw. kaum wahrnehmbar.
Woran liegt das? Woher kommt dieses Schweigen? Warum ist die Lobby für diesen Berufsstand scheinbar so gering? Zählt in Deutschland wirklich nur das Abitur? Wo sind die Fürsprecher der Grundschullehrkräfte? Was tut die Politik, um das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen zu stärken und wieder attraktiv zu machen? Wer versteht, dass Quereinsteiger und Abordnungen keine dauerhaften Lösungen für die Grundschulen darstellen? Wann erkennt die Gesellschaft das gute Bildung in Klasse 1 beginnt und nicht in der Oberstufe?
Was wir brauchen ist Zusammenhalt! Zusammenhalt aller Protagonisten, unabhängig von der Schulform. Lehrerinnen und Lehrer sollten gemeinsam für ihre Profession einstehen. Gebraucht werden professionelle und ausgebildete Lehrkräfte. Nur so geht gute Schule! "Wir sollten zusammenhalten und nicht untereinander sticheln."
So können wir vielleicht ein Zeichen setzen und dafür sorgen, dass Lehrerinnen und Lehrer an allen Schulformen gleich gut bezahlt werden: Für eine gute Bildung von Klasse 1-13!